Kuratorin über Frauen in der Kunstwelt

«Es ist Zeit, dass Künstlerinnen mehr beachtet werden»

Noch immer wird die Kunstwelt stark dominiert von männlichen Vertretern. Uns hat die Zürcher Kunsthistorikerin Bettina Meier-Bickel erklärt, warum es wichtig ist, dass mehr Frauen in der Branche gesehen werden.

Kuratorin Bettina Meier-Bickel vor ihrem Lieblingskunstwerk «36 schlaflose Nächte», bestehend aus 36 Schwarz-Weiss-Fotografien von Künstlerin «Manon», 1979.

Ein Blick auf das Programm von Schweizern Kunstmuseen zeigt: Es sind deutlich mehr Männer, die gezeigt werden. Frauen sind auch 2022 noch unterrepräsentiert. Das sollte sich ändern, findet Kunsthistorikerin Bettina Meier-Bickel (46). Mit der Ausstellung «It’s a… Women’s Women’s Women’s World!» im Debattierhaus Karl der Grosse im Zürcher Niederdorf will sie dazu beitragen. Gezeigt werden Kunstwerke aus der Sammlung der Stadt Zürich von 14 verschiedenen Künstlerinnen. Und das aus den verschiedensten Bereichen: Malereien, Zeichnungen, Fotografien, Skulpturen oder Videos.

Im Fokus von Meier-Bickels Ausstellung stehen ausschliesslich Künstlerinnen, was auch zur Location passt: Der 1894 gegründete Frauenverein traf sich nämlich des Öfteren im Debattierhaus, es wurde dann zu ihrem Stammlokal. Boleromagazin.ch hat die Zürcherin im Karl der Grosse getroffen und mit ihr über die Stellung von Frauen in der Kunstwelt gesprochen.

Mit der Ausstellung «It’s a… Women’s Women’s Women’s World!» wollen Sie Frauen aus der Kunstwelt eine Plattform geben. Warum braucht es das?

Frauen sind auch heute noch in der Kunstwelt nicht so stark repräsentiert wie Männer. Künstlerinnen wurden eine lange Zeit zu wenig beachtet und ich halte es daher für wichtig, dass man ihnen heute mehr Beachtung schenkt. Glücklicherweise gibt es im Moment eine sehr starke Bewegung: Diverse Schweizer Museen rücken das Schaffen von Künstlerinnen ins Zentrum.

Dann hat Sie das dazu bewegt, eine Dauerausstellung zu organisieren, die sich ausschliesslich Künstlerinnen widmet?

Unter anderem. Das Debattierhaus Karl der Grosse, eine Institution der Stadt Zürich, ist mit der Anfrage an mich gelangt, für ihre Räumlichkeiten ein Konzept auszuarbeiten.

Warum glauben Sie, wurde Frauen stets weniger Beachtung zuteil?

Früher wurden den Frauen den Zugang zu den Kunstakademien verwehrt, somit hatten sie keine Möglichkeiten als professionelle Kunstschaffende aufzutreten. Ihre Arbeiten wurden daher lange als minderwertig betrachtet. Neben diesen patriarchalen Barrieren verspüren Frauen manchmal auch weniger den Drang, im Rampenlicht zu stehen. Zudem verschwinden Frauen oftmals aufgrund von familiären Verpflichtungen für eine gewisse Zeit von der Bildfläche. Danach ist der Wiedereinstieg ins Arbeitswesen, gerade auch für Künstlerinnen schwierig.

Wie sollte die Kunstwelt in Ihren Augen in Zukunft aussehen?

Ich wünsche mir langfristig mehr Gleichberechtigung in der Branche. Die Arbeiten von Künstlerinnen sind genauso wichtig wie jene ihrer männlichen Kollegen und sollten daher die gleiche Visibilität erhalten.

Wie haben Sie die Künstlerinnen für Ihre Ausstellung im Karl der Grosse ausgewählt?

Da die Stadt Zürich die Werke ihrer Sammlung auch an Mitarbeitende ausleiht, musste zuerst geprüft werden, welche Kunstwerke überhaupt vorhanden sind. Zudem war es mir wichtig, dass die Kunstwerke zu den Räumlichkeiten passen und ein möglichst breites Spektrum an verschieden Medien abgedeckt wird. Ebenfalls habe ich Künstlerinnen aus verschiedenen Generationen ausgewählt.

Dann gibt es viel zu entdecken an der Ausstellung. Welches Kunstwerk hat Sie persönlich am meisten berührt?

Das ist schwierig zu auf nur ein Kunstwerk zu reduzieren, aber wahrscheinlich die 36 Schwarz-Weiss-Porträts von Künstlerin «Manon». Die Fotografien wurden nachts in Paris aufgenommen. Manon litt damals unter Schlaflosigkeit, die Bilder zeigen die Künstlerin in den unterschiedlich inszenierten Rollen.

Warum sollte man die Ausstellung besuchen?

Die Öffentlichkeit hat kaum Einsicht in die Kunstsammlung der Stadt Zürich, da diese hauptsächlich in den Räumlichkeiten der Verwaltung gezeigt werden. Deshalb finde ich es toll, dass sich die Dauerausstellung an einem öffentlichen, zentralen Ort befindet.

Was waren die Herausforderungen bei der Organisation der Ausstellung?

Die historischen Räumlichkeiten sind denkmalgeschützt, daher durfte man nicht überall Kunst aufhängen.

Man spürt, die Kunstwelt ist ein wichtiger Teil Ihres Lebens. Wie kam es zu dieser Leidenschaft?

Ich hatte einen Onkel, der Schmuckexperte in einem Auktionshaus war und der mich so in die ganze Kunstwelt eingeführt hat. Seitdem wusste ich, dass ich Kunstgeschichte studieren und später in der Kunstwelt arbeiten möchte. Während meines Studiums arbeitete ich in einer Galerie und bin dann später mit einer eigenen Galerie ins Galeriewesen eingestiegen.

Mehr Infos

Die Dauerausstellung «It’s a… Women’s Women’s Women’s World!» im Karl der Grosse im Zürcher Niederdorf ist von Montag bis Samstag von 8 bis 22 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist gratis.

Karl der Grosse, Kirchgasse 14, 8001 Zürich

Mehr Informationen zur Kunstausstellung World!» findest du hier und mehr Informationen über Projekte von Bettina Meier-Bickel sind hier zu finden.

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