Once in a Lifetime

Auf Safari in Botswana

Es war die Erfüllung eines Lebenstraums: auf Safari in Botswana. Erzählungen einer Reise, auf der jeder Tag ein perfekter war. Bis der nächste noch perfekter wurde.

Botswana, Elefant, Reisen

Es begann im November 1994. Ich war neun Jahre alt und wurde für das Spazierenführen eines Nachbarhundes mit einem Kinobillett für Disneys «König der Löwen» belohnt. Ich erinnere mich noch gut an den riesigen dunklen Saal, die Nervosität, meinen Sitzplatz nicht rechtzeitig zu finden. Und natürlich an den Film, der vor mir über die Grossleinwand flimmerte. Ich war komplett überwältigt. Seither träume ich von den Tieren Afrikas.

Auf die Erfüllung gewisser Lebensträume muss man warten, in meinem Fall fast achtundzwanzig Jahre lang. Am 4. Juli 2022 ist es endlich so weit: Wir landen in Maun, Botswana. Auf Plastikstühlen unter einem Sonnensegel werden Immigrationsformulare ausgefüllt, in einer kleinen Halle das Gepäck entgegengenommen, dann geht es zurück aufs Rollfeld. Wir klettern in unser Bush-Plane, die Propeller werden gestartet, keine sechzig Minuten nach der Ankunft der nächste Abflug. Es geht raus in die Wildnis. Das Abenteuer Safari kann beginnen!

Unter allen Safaridestinationen Afrikas gilt Botswana als die exklusivste – und teuerste. Anders als in den umliegenden Ländern hat sich die Regierung des Binnenstaates bewusst dazu entschieden, den Massentourismus aus dem Land fernzuhalten. Und die wenigen Gäste, die kommen dürfen, dafür umso tiefer in die Tasche greifen zu lassen. «Low impact – high income» lautet die Devise.

Heute sind knapp vierzig Prozent von Botswana Nationalparks, Wildreservate und Schutzgebiete. Self-Drive-Safaris sind nur in den Nationalparks möglich. Die Reservate und Schutzgebiete sind in fünfzig Zonen, sogenannte Wildlife Management Areas, unterteilt, für die Safari-Anbieter Konzessionen erwerben können. Dies unter sehr strengen Auflagen: eine maximale Anzahl erlaubter Betten, Vorgaben für den Bau und die Ausgestaltung der Camps sowie Anforderungen an das Einbeziehen und die Unterstützung der lokalen Bevölkerung. Oberstes Ziel ist ein harmonisches, gemeinschaftliches Zusammenleben von Mensch und Natur. Sechs dieser Konzessionen werden vom 1983 in Botswana gegründeten Unternehmen Wilderness Safaris gehalten, einem der renommiertesten Luxussafari-Anbieter Afrikas und mein Host für die kommenden sieben Tage.

Kaum hat unsere «Wilderness Air»-Maschine die Stadtgrenze von Maun überflogen, tut sich unter uns das Okavangodelta auf. Blaues Wasser zieht durch grüne Graslandschaften, auf kleinen Inseln stehen Palmen, Papyrusstauden, Ficusbäume. Dann sehe ich ihn: meinen ersten Elefanten! Dann weitere, dann Nilpferde, eine aus dieser Höhe unidentifizierbare Gattung von Antilopen, irgendetwas, das ich für einen Löwen halte, im Nachhinein aber ziemlich sicher etwas ganz anderes gewesen ist. Meine Nase klebt am Fenster. «Der Weg ist das Ziel» schien nie richtiger als hier.

Unser Flug führt uns hoch in den Norden an die Grenze zu Namibia. Inmitten des Linyanti-Sumpfgebietes liegt Duma Tau, unser Zuhause für die nächsten drei Nächte. Am Lodge-Eingang steht das Empfangskomittee bereit, begrüsst uns mit warmem Lächeln, festem Händedruck und Vornamen. Eine herzliche Geste, die den grossen Unterschied macht. Genau wie alle der fünfundzwanzig Wilderness-Camps in Botswana ist auch Duma Tau individuell und in perfekter Harmonie mit der umliegenden Landschaft gestaltet worden. Hier lebt man in der Natur – mit ihr und von ihr. Die Lodge wird komplett von Solarstrom betrieben, ihre Gebäude wurden um die historischen Elefantenstrassen herumgebaut – Trampelpfade, auf denen die grauen Riesen schon seit Jahrhunderten durch das Land ziehen. Denn: «Wir sind hier, um zu beobachten, nicht um zu stören», erklärt unser Guide Ron – die wichtigste Regel für die kommenden Tage.

Der Alltag auf Safari ist so einfach, wie er spektakulär ist. Um halb sechs ist Wake-up-Call, um sechs holt man uns fürs Frühstück. Eine Tasse Kaffee, ein bisschen Porridge – und los gehts. Ausgerüstet mit Kamera, Feldstecher und einer warmen Bettflasche klettern wir in den Jeep. Was genau wir suchen, ist undefiniert, was wir finden, immer eine Überraschung. Aber, so lerne ich schnell, jeder Tag hier draussen scheint den vorherigen – so unglaublich dieser auch war – in den Schatten zu stellen.

Nach fünf Minuten auf dem Jeep am Ankunftsabend kreuzt, keine zehn Meter entfernt, die erste Giraffe unseren Weg. Zwei Kurven weiter treffen wir auf einen riesigen Elefantenbullen, der unbeirrt wenige Meter neben uns durchs Gebüsch streift. «Was für ein Tag», denke ich mir, «besser wirds nicht mehr.» Am nächsten Morgen erspähen wir ein Löwenpärchen, das komplett unbeeindruckt von uns Zuschauern sein Paarungsritual vollzieht. Die ersten Warzenschweine zeigen sich – «Schau, deine Pumbaas!» – und entzücken mich mit ihren wilden Sprüngen und den in die Höhe gestreckten Schwänzchen. Wir haben einen Platten, und während Ron den Reifen wechselt und ich einen Kaffee trinke, spazieren ganz nahe drei Strausse vorbei. Die Tierwelt Afrikas – und ich mittendrin! «Was für ein Tag», denke ich mir, «besser wirds nicht mehr.» Den nächsten Tag verbringen wir auf dem Wasser, beobachten ein Krokodil, das länger ist als unser Boot, Nilpferde, die ihre schweren Körper mit unglaublicher Leichtigkeit durchs Wasser schieben. Und dann schwimmt eine Herde Elefanten vorbei. Sie tauchen komplett unter, nur die Rüssel ragen aus dem Wasser. Ich sitze im Boot und denke mir zum dritten Mal: «Besser wirds nicht, besser kanns nicht werden!»

Nach drei unvergesslichen Tagen in Linyanti ziehen wir – schweren Herzens – ein Camp weiter, per Bush-Plane zurück in Richtung Süden und mitten ins Okavangodelta. In Jao angekommen, dusche ich, während vor dem Fenster Elefanten grasen und auf meinem Vordach ein Rudel Äffchen tobt. Der Bungalow ist grösser als meine Wohnung, mehr Badezimmer hat es auch. Überall ist Wasser. Es ist eine neue Welt hier unten, aber eine nicht minder schöne.

Das Okavangodelta ist die Trumpfkarte Botswanas. Hier, wo der Sand der Kalahari-Wüste auf die Wassermassen aus Angola trifft, ist eines der grössten Naturparadiese dieser Welt entstanden. Kaum ein Tier Afrikas, das hier nicht zu Hause ist. Und kaum eine schönere Kulisse, in der man sie beobachten könnte. Wir verbringen den Grossteil der Zeit auf dem Wasser, nach der Regenzeit von Dezember bis April fliesst noch reichlich davon. Bootsbreite Kanäle ziehen sich wie Tatzelwürmer durch die Landschaft, hie und da erheben sich kleinere und grössere, palmenübersäte Inseln in den blauen Himmel. Die traditionellen Transportmittel der Einheimischen sind Mokoros, circa vier Meter lange Einbaumboote, in denen man sich zur Fortbewegung mithilfe von langen Holzstangen am Flussbett abstösst. Wir hingegen tuckern die meiste Zeit in Motorbooten durch die Gegend, vorbei an grasenden Elefanten, Letschwes, Sitatungas und Wasserbüffeln, die bis zum Bauch im Wasser stehen. Cruise, unser Guide, weiss über alle von ihnen viel zu berichten. Seine Liebe und Leidenschaft rühren mich.

Während die Zeit in Linyanti ganz im Zeichen der Elefanten stand, sind es hier unten im westlichen Delta vor allem die Löwen, die meine Tage mit Glücksmomenten füllen. Majestätisch streifen sie durch die aus dem Wasser ragenden Graslandschaften – teils so nahe an unserem Jeep vorbei, dass ich lediglich den Arm ausstrecken müsste, um sie zu berühren. In der Nacht liege ich im Bett und höre sie rufen, höre Impalas durch die Sümpfe springen auf der Flucht vor dem König. An Schlaf ist nicht zu denken. Das Leben hier draussen schläft nie.

Die letzte Etappe unserer Reise führt uns in die Vumbura Plains im Osten des Deltas. In der Lagune vor der Lodge tummeln sich Nilpferde, die in der Nacht auf der Suche nach Gras durchs Camp streifen. Unser letzter Guide auf dieser Reise, Dennis, hat von Cruise und Ron eine Liste von Tieren bekommen, die wir noch oder nochmals sehen möchten: Leoparden, Geparden, Tsessebes. Auch über meine Liebe für Warzenschweine weiss er Bescheid – «Wir halten für jedes einzelne von ihnen, versprochen.» Dennis, der Traumerfüller?

Wir werden nicht enttäuscht. Egal, was wir suchen, Dennis findet es. Und beweist dabei ein Feingefühl und einen Respekt vor den Tieren, die mich tief beeindrucken. Weichen sie zurück, tun wir es ebenfalls, wenden sie sich ab, lassen wir sie ziehen. Zeigen sie sich aber unbeeindruckt, kommen wir ihnen näher, als gewissen Jeepinsassen lieb ist. Nach zwei Tagen ist kein Wunsch mehr offen. Und es steht ein weiterer schwerer Abschied an, der letzte, der ganz grosse. Auf dem Weg zum Flughafen kreuzt ein Gepardenweibchen unseren Weg. «Besser wirds nicht mehr!»

Sieben Tage Botswana sind wie im Flug vergangen. Wir sehen mehr, als ich mir je zu erträumen gewagt hätte, essen wie die Könige, trinken, diskutieren, lachen, singen. Es ist ein einmaliges Erlebnis, eines, das ich bis an mein Lebensende nicht vergessen werde. Die Begeisterung und die immense Dankbarkeit, hier sein zu dürfen, flaut nicht ab. Und vielleicht liegt die Magie meiner Safari nicht zuletzt genau darin. Dass sie mich zu einem Menschen macht, der ich gern auch im Alltag wäre: Jemand, der jeden Morgen mit der Sonne aufsteht und sich mit hellwachen Sinnen, voller Lebensfreude und Energie auf den Weg in den Tag macht. Nie wissend, was hinter der nächsten Kurve liegt. Aber allzeit bereit, sich komplett überwältigen zu lassen von dem, was vor einem steht.

Gut zu wissen

Rund vierzig Camps in sechs Ländern, über 2,5 Millionen Hektar eigenes Schutzgebiet, mehr als zweitausend Mitarbeitende: Wilderness Safaris zählt unter den Safari-Anbietern Afrikas zu den ganz grossen. Gegründet wurde das Unternehmen 1983 von zwei jungen Abenteurern, die alles ein bisschen anders machen wollten. So haben es sich die beiden von Anfang an zum Grundsatz gemacht, zurückzugeben – dem Land, den Tieren, der Bevölkerung. Verschiedene Stiftungen, Hilfsprojekte sowie unzählige internationale Auszeichnungen beweisen, dass das Unternehmen der Ursprungsvision selbst mit seiner inzwischen beeindruckenden Grösse treu ge­blieben ist.

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