Coole Strickmode

Kompliziert gestrickt

Die spannendsten Stimmen der Strickmode bedienen sich eines traditionellen Handwerks und übersetzen es mit Vision, Technik und Raffinesse ins Jetzt.

Stapf

Ein gutes Stück Strick zu tragen, ist wie eine lange Umarmung: voller Wärme, Komfort und Geborgenheit. Kaum etwas fällt schwerer, als einen übergrossen Kaschmirpullover auszuziehen oder Hosen abzulegen, die einen so flauschig umhüllten wie eine Decke.

Obschon Strickmode die Weltenbummlerin von heute längst ganzjährlich begleitet, bedarf es ihr im Winter ganz besonders. Umso erfreulicher, begeistern sich immer mehr Kreateure für die Disziplin: Designer von Stockholm bis Schottland verpassen dem traditionellen Handwerk einen zeitgenössischen Anstrich.

Sie experimentieren mit Struktur, Farbe und Material; übersetzen jahrhundertealte Techniken in eine moderne Sprache. Dabei verliert die Mode nie ihre Funktion: Gewicht, Wärme, Beweglichkeit und Tragekomfort bleiben ebenso zentral wie die Ästhetik. Der ultimative Anspruch? Stücke, die höchste Qualität bieten und über Jahre – und über Trends – Bestand haben. Den Gegenentwurf zur schnelllebigen Modewelt heisst man gern willkommen.

Lisa Yang

Die in Stockholm ansässige Marke, die letztes Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feierte, hat sich dem edelsten aller Naturgarne verschrieben: Kaschmir, der von der gleichnamigen Markengründerin als Material, aber auch als fortwährender Dialog zwischen Tradition und Innovation verstanden wird. Im hauseigenen «Cashmere Lab» erforscht sie die Faser immer wieder aufs Neue: Sie bedient sich alter Techniken aus der inneren Mongolei und veredelt das Material kompromisslos nachhaltig, transparent und in kleinen Quantitäten. Das Zu-hause der Marke, Skandinavien, spiegelt sich in den klaren Linien, der subtilen Farbgebung und den zeitlosen Silhouetten der Endprodukte.

Stapf

Das Tiroler Unternehmen, einst bekannt für Trachtenmode, hat eine langjährige Handwerkstradition: Seit 1958 wird im Hause Stapf in der Stadt Wörgl das Garn auf Rund- und Flachstrickmaschinen – nur mit Wasser und Energie, ganz ohne Chemikalien – zu hochwertiger Strick- und Walkmode verarbeitet. Die Übernahme der Marke durch ein jüngeres Team resultierte 2018 in einen aufgefrischten Look und zeitgemässeren Designs: Die Jacken sind nun unisex, die Hosen stylish überlang, Jupes und Muster auch mal asymmetrisch. Allein die Basis ist seit jeher dieselbe – fast alle Stücke sind aus mulesingfreier Wolle und ohne synthetische Färbemittel oder Weichmacher produziert.

Casasola

«Ich will die Garderobe von Frauen vereinfachen, rationalisieren und den Fokus auf Qualität und Langlebigkeit legen», so die gebürtige Brasilianerin Barbara Casasola, die bei ihrem Karrierestart 2012 als eine der talentiertesten Jungdesignerinnen gefeiert wurde. 2019 erfolgte der Markenumzug von London nach Florenz. Sie reduzierte fortan aufs Wesentliche: Strickmode, die mit italienischer Handwerkskunst, viel Integrität und in unmittelbarer Nähe zum Kunden gefertigt wird.

Barrie

Die Kaschmirmanufaktur, die 1903 in Hawick gegründet wurde, gehört zu den letzten aktiven in Schottland. Sie belieferte jahrzehntelang alle grossen Luxusmarken der Welt, nicht zuletzt Chanel – das Haus hat Barrie 2012 als Métier d’art akquiriert und wenig später als eigenständigen Brand lanciert. Heute schlägt Kreativdirektor Augustin Dol-Maillot gekonnt Brücken zwi-schen Vergangenheit und Zukunft. Eine grosse Liebe gilt dabei dem Trompe-l’Œil-Effekt: Die ikonische Denim-Collection etwa lässt Nähte, Taschen, Knöpfe und Silhouetten wirken wie Jeans, ist in echt aber aus weichstem Kaschmir.

B.B. Wallace

Die Gründerinnen des neuen Brands B. B. Wallace, Meryll Rogge und Sarah Allsopp, lernten sich einst in New York, im Designstudio von Marc Jacobs, kennen. Seither ist viel passiert: Die Belgierin Rogge lancierte ihre gleichnamige Marke, ist seit Kurzem Kreativdirektorin bei Marni – und konsultiert ihre Kollegin Allsopp immer dann, wenn sie eine Expertin in Sachen Strick braucht. Aus einem gemeinsam designten Pullover, der zu Rogges Lieblingsstück avancierte, wurde nun eine Vision: B. B. Wallace ist bunt, mutig und dynamisch, aber auch zeitlos – um für immer getragen werden zu können, ganz nach dem Prinzip der Forever-Sweaters. Herzstücke sind etwa zweifarbige, doppelseitig verarbeitete Strickteile aus Shetlandwolle und italienischem Kaschmir.

Zankov

Die Mode von Henry Zankov soll unbedingt aus Strick sein, aber ja nicht danach aussehen. «Ich versuche sehr, mich vom traditionellen Verständnis zu lösen», so der Designer in einem Interview. Was den in New York lebenden Russen antreibt, ist, die Grenzen des Handwerks und seiner Wahrnehmung auszuloten. Die Kreationen des selbst ernannten «Strick-Strebers» sind entsprechend rebellisch und grungy: Zickzack-Intarsien und horizontale Stricktechniken verleihen Farbvielfalt; Garne mit feinen Metalldrähten erzeugen Glanz und Struktur. Seine abenteuerlichen Entwürfe, die genderlose Designsprache und komplexe Techniken liessen ihn 2024 den renommierten CFDA-Award als «Emerging Designer of the Year» einheimsen. Bei Kleidung soll es für Zankov allerdings längst nicht bleiben: In nächster Zukunft will er noch weitere Kreativdisziplinen erforschen, so etwa Textilien, Keramik oder Homeware.

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