Die Menschenschlange begann kurz vor dem Riesenrad am Hafen. Sie zog sich an der auf dem Meerwasser schwimmenden Poollandschaft mit Sonnenschirmen, Liegen und einer Bar vorbei, über eine schmale Brücke, die zu den Schiffsanlegern führt, und quer durch die mandarinenfarbenen Marktstände, wo an diesem noch lichtdurchfluteten Spätsommerabend Pfifferlinge, Kefen und die letzten goldenen Moltebeeren der Saison auf den Verkaufstischen lagen. Es waren zumeist gut gelaunte junge Menschen, die, ohne zu murren, anstanden und auf Einlass in den Allas-Hof warteten, wo der Auftritt einer finnischen Newcomer-Band mit unaussprechlichem Namen angekündigt war. Später sangen sie jeden Song lauthals mit. Der fröhliche Pop war bis auf die schicke Terrasse des angesagten Restaurants Toppa im sechsten Stock von Alvar Aaltos ikonischem Zuckerwürfelbau gleich nebenan zu hören, und auch die Gäste des brandneuen Solo Sokos Hotel Pier 4 bekamen das musikalische Spektakel mit.
Sie alle haben Glück gehabt. In Helsinki war es in diesem Sommer überdurchschnittlich warm und sonnig, und die Stadt zeigte sich deshalb noch heiterer als ohnehin schon. Doch die gute Stimmung liegt wohl auch am tiefenentspannten Naturell der Bewohner, an ihrem lässigen Lebensstil, in dem Protz, Prunk und Luxus kaum eine Rolle spielen. Die Finnen gelten offiziell als die glücklichsten Menschen der Welt. Zum achten Mal in Folge wurde ihrem Land 2025 der erste Platz auf der Liste des «World Happiness Report» zugesprochen. Wie geht das in einer Stadt, die zwar sehr grün ist, vom Meer umspült und architektonisch wunderschön, aber auch gut die Hälfte des Jahres kalt und eher dunkel?