TRADITION, AUFGEFRISCHT

Blauer Himmel, weisser Schnee – die Berge rufen! Und immer mehr Hotels empfangen ihre Gäste mit Chalet-Chic der etwas anderen Art.

Le Coucou © Jerome Galland (15)

Der Ausdruck «die Bretter, die die Welt bedeuten» bekommt während der Wintermonate eine ganz neue Bedeutung: Wenn der Schnee die kargen Felslandschaften der Alpen in luftiges Pulver hüllt, sind es die Skis, die Schlitten, die Snowboards, die Adrenalinschübe auslösen und Glücksgefühle durch unsere Körper schiessen lassen. Uns zieht es hoch in die Berge.

Es ist eine traditionelle Welt dort oben, eine, in der viel passiert, aber sich nur wenig tut. Ein Ort, an dem man seine Tage ganz ohne schlechtes Gewissen Jahr für Jahr auf die genau gleiche Art verbringen darf: Die Aktivitäten sind so konsequent dieselben wie die Speisen, die genossen, und die Interieurs, in denen sie serviert werden. Langweilig? Erholsam. Und doch möchten wir eine Handvoll Häuser feiern, die Altbewährtes auf erfrischend andere Art in Szene setzen.

Das Fünfsternehotel Le Coucou im französischen Méribel trägt die Lebensfreude schon in Namen. Aussen ein klassisches Chalet, innen ein eklektischer Stilmix aus Altem und Neuem, Traditionellem und Unerwartetem: Im «Coucou» gibt es derart viel zu entdecken, dass das Pistenvergnügen glatt sekundär wird. Zu verdanken ist dies in erster Linie dem Interior-Designer Pierre Yovanovitch. Über hundertdreissig Möbelstücke und Beleuchtungselemente hat der Franzose speziell für dieses Projekt entworfen und zwei Jahre lang die Ausgestaltung eines jeden Raumes akribisch geplant. Jede Facette des Designs, von der architektonischen Gestaltung bis hin zu den massgeschneiderten Möbeln und Dekoelementen, sollte die Geschichte und die traditionelle Ästhetik der Region und gleichzeitig Yovanovitchs Leidenschaft für zeitgenössische Kunst und seine charakteristische verspielte Ästhetik reflektieren. Neben den gemütlichen Gemeinschaftsräumen und den zwei hoteleigenen Restaurants – der «Beefbar» für Fleischliebhaber, dem «Biancaneve» für Fans von rustikalem Italo-Food – ist es in erster Linie das Spa mit seinem beheizten Innen- und Aussenpool, den gewölbten Entspannungsbuchten und dem Blick auf die Berge, das Gäste in Entzücken versetzt. «Mein Ziel war es, einen gemütlichen und farbenfrohen Raum zu schaffen, der nach einem langen Skitag ein wenig Freude bereitet», erklärt Yovanovitch. Mission geglückt.

Auch im österreichischen Bad Gastein tut sich Spannendes. Am 27. Januar wird «The Comodo» eröffnet, ein aus den Fundamenten einer alten Klinik wiedergeborenes Designhotel mit siebzig Zimmern, das sich als ganzjähriger Zufluchtsort für versierte Reisende und die kreative Gemeinschaft etablieren will. Das Designkonzept stammt aus der Feder des polnischen Architekten Piotr Wisniewski und seiner Agentur WeStudio in Berlin. Es ist von der Farbpalette über die Materialien bis hin zu den strukturellen Formen eng mit dem traditionellen Stil Österreichs verbunden, wurde jedoch sorgfältig mit zeitgenössischem Flair frisch interpretiert: Markante Formen und knallige Farben erinnern an den Modernismus der 1960er- und 1970er-Jahre, massgefertigte Möbel und eklektische Vintage-Funde verleihen dem Berghotel einen wunderbar andersartigen Touch. Und wie überall in Bad Gastein wird auch im «Coˉmodo» der Kunst eine grosse Bedeutung zugemessen. In allen Bereichen des Hotels sind Werke renommierter und aufstrebender europäischer Künstler und Kunsthandwerker zu entdecken, allesamt sorgfältig von We Studio ausgewählt und kuratiert.

Um die Kunst dreht es sich auch in der Villa Flor, dem kleinen Gästehaus im Oberengadiner Dörfchen Schanf. Gerade mal sieben Zimmer zählt das Hotel von Gastgeberin Ladina Florineth – und ist doch besonders in der Welt der Kreativen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Im traditionellen Patrizierhaus ist nämlich nur wenig traditionell. Hinter den 1904 erbauten Mauern wartet ein frisch-fröhlicher Mix aus Familienerbstücken, Flohmarktfunden, Vintagemöbeln und Designklassikern. Und überall hängt Kunst – von Künstlerinnen und Künstlern, die wie etwa Julian Schnabel oder Philipp Keel selber in der Villa Flor übernachtet haben, sowie anderen klingenden Namen aus dem In- und Ausland. Florineth, die vor Eröffnung der Villa Flor als Galeristin und Redaktorin ihr Geld verdient hat, sieht in der Kunst eine Bereicherung, die sie nutzt, um das Haus immer wieder zu verändern. Regelmässig stellt sie die Räumlichkeiten der Villa Flor für Ausstellungen zur Verfügung – und so geniessen Gäste den Après-Ski-Apéro unter und neben Werken von Künstlern wie David Shrigley, Chung Eun-Mo oder, bis vor Kurzem, der Britin Georgie Hopton.

Während man in der Villa Flor mehr mehr sein lässt, zelebriert man im Hotel Miramonti im südtirolischen Hafling den Reiz des Schlichten. «Schwer zu finden, schwer zu vergessen» wird versprochen – und gehalten. Das alpine Hideaway von Klaus und Carmen Alber liegt auf einem von Wald umgebenen Hochplateau über Meran. Und ein Panoramablick dieser Klasse braucht kein Interieur, das mit ihm um Aufmerksamkeit buhlt. Im «Miramonti» trifft man auf skandinavischen Minimalismus und japanisches Zen: klare Linien, gedeckte Farben und überall deckenhohe Fenster. Klaus Alber: «Wir schaffen es, die Natur ins Haus zu holen. Mir gefällt es, die vier Jahreszeiten intensiv zu leben und diese Veränderungen im Haus zu spüren.» Die internationale Bekanntheit verdankt das Haus dennoch in erster Linie seinem ganzjährig beheizten Outdoor-Infinity-Pool: Ein besseres Social-Media-Sujet dürfte nur schwer zu finden sein. Doch auch die, denen es im Winter nicht so nach Baden ist, kommen zu ihrem Insta-Moment: Ins nahe liegende Skigebiet shuttelt man per Defender. Es sind die kleinen Details, die den grossen Unterschied machen.

Um die Wichtigkeit der kleinen Details weiss man auch im Experimental Chalet in Verbier, dem ersten und bisher einzigen Bergrefugium der Experimental-Gruppe. Und weil die immer alles ein bisschen cooler macht, ist ihr Chalet natürlich kein klassisches. Das von Interior-Designer Fabrizio Casiraghi eingerichtete Haus im Dorfzentrum ist von den Berghotels des 20. Jahrhunderts inspiriert und soll unbeschwerte Fantasie und Raffinesse vermitteln. Mit seinem unverkennbaren Händchen kombiniert der Italiener Modernes mit Retro-Stücken, Holz mit überraschenden Farbakzenten und schafft so ein perfekt in seine Umgebung eingebundenes zeitloses Ganzes. Neben neununddreissig Gästezimmern, einem kleinen Spa-Bereich und dem Farm-to-Table-Restaurant des Pariser Spitzenkochs Gregory Marchand – dem «Frenchie Verbier» – beherbergt das Chalet auch den legendären «Farm Club», seit über fünfzig Jahren die illusterste Party-adresse Verbiers.

Klassisch ist nicht schlecht und anders nicht immer besser. Aber manchmal erfreuen wir uns am Ungewohnten. Selbst hoch oben zu Berg.

ERFRISCHEND ANDERS

Le Coucou, Méribel

Das wohl fröhlichste Chalet in den Trois Vallées. Dank der charakteristisch verspielten Ästhetik des französischen Interior-Designers Pierre Yovanovitch wird der direkte Pistenzugang des Fünfsternehotels glatt zur Nebensache: Bei zwei Restaurants, urgemütlichen, geräumigen Zimmern mit Aussicht und einem der schönsten Spa-Bereiche überhaupt braucht es schon einiges an Überwindung, das Haus zu verlassen. DZ mit Frühstück ab Fr. 566.–.

The CŌmodo, Bad Gastein

Das neue Designhotel im österreichischen Kurort möchte alles vereinen, wofür Bad Gastein bekannt ist: traumhafte Landschaften, einen gesunden, aktiven Lebensstil, herzliche Gastfreundschaft und die Liebe zu historischer Architektur und Kunst. Im Gebäude einer ehemaligen Klinik warten siebzig Zimmer, ein Farm-to-Table-Restaurant mit moderner österreichischer Küche, ein Spa-Bereich mit Innen- und Aussenpool und eine hauseigene Bibliothek mit Kunst- und Designbücher darauf, von Gästen entdeckt zu werden. DZ mit Frühstück ab Fr. 195.–.

Villa Flor, S-chanf

So klein das Hotel, so gross das Renommee: Die Villa Flor von Ladina Florineth ist insbesondere in der Welt der Kreativschaffenden bis weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. In den sieben individuell gestalteten Zimmern sowie sämtlichen Gemeinschaftsbereichen gilt alle Aufmerksamkeit der Kunst: Werke von Grössen wie Julian Schnabel oder David Shrigley schmücken die Wände dauerhaft und werden regelmässig durch wechselnde Ausstellungen wie demnächst derjenigen der New Yorker Fotografin Mariana Cook ergänzt. DZ mit Frühstück ab Fr. 290.–.

Miramonti, Hafling

Im auf einem Hochplateau über Meran gelegenen Hotel des Ehepaars Alber dreht sich alles um die Ruhe – die innere wie die äussere. Das minimalistische Interieur steht in perfektem Einklang zur unberührten Natur hinter den deckenhohen Scheiben, und wem das noch nicht genug ist, kann in einem der zwei fantastischen Aussenpools noch direkter in sie eintauchen. Schneewanderungen starten direkt vom Hotel aus, ins nahe gelegene Skigebiet gelangt man per Defender-Shuttle. So viel Lärm muss sein. DZ mit Frühstück ab Fr. 288.–.

Experimental Chalet, Verbier

Mit ihrem bislang einzigen Bergrefugium hat die Experimental-Gruppe französisches Savoir-faire in die Schweizer Alpen gebracht. Das von Interior-Designer Fabrizio Casiraghi eingerichtete Chalet lockt mit einer Auswahl von 39 Zimmern und Suiten mit Panoramablick auf die umliegende Alpenlandschaft, der charakteristischen Experimental-Cocktailbar, dem vom Pariser Starkoch Gregory Marchand geführten Restaurant, einem kleinen Spa und der Nachtklub-Institution Farm Club. DZ mit Frühstück ab Fr. 291.–.

«Ich bin nicht der Typ, der zurück aufs Land will; ich bin der Typ, der zurück ins Hotel will.»

Fran Lebowitz, amerikanische Schriftstellerin

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