In Schottland schlägt das Wetter Kapriolen – eben noch Sonne, schon ziehen Nebelschwaden und Nieselregen über die einsamen grünen Hügel. Wir sitzen im «Blue Drawing Room» von Dumfries House in Ayrshire auf original Chippendale-Stühlen und probieren uns durch «Flowerlace» und «Fleurs d’Hawaï», die neuen Schmuckkollektionen von Van Cleef & Arpels. Das schottische Anwesen ist ein Herzensprojekt der King’s Foundation, die hier nicht nur historische Gärten bewahrt, sondern auch Wälder aufforstet, Heckenlandschaften pflegt und Wissen weitergibt. Seit 2008 verbindet den Juwelier eine philanthropische Partnerschaft mit der Foundation. Hier, wo Natur und Kultur verschmelzen, entfalten sich Van Cleef & Arpels Kreationen prächtig. Kurz vor der Gartenparty nimmt Catherine Rénier, Präsidentin und CEO des französischen Juweliers, bei uns Platz.
Blütenreich
Mit gleich zwei neuen Linien erweitert Van Cleef & Arpels seinen poetischen Blumengarten.
BOLERO Was verbindet die neuen Kollektionen mit Dumfries House und der King’s Foundation – und warum ist gerade dieser Ort ideal für die Präsentation?
CATHERINE RÉNIER Unsere Idee war es von Anfang an, die Kollektionen in einem Garten zu zeigen – Blumen entfalten dort ihren ursprünglichsten Ausdruck. Mit der King’s Foundation von König Charles III. verbindet uns seit 2008 eine enge Partnerschaft – seit 2023 auch ganz konkret im Bereich des Schutzes von Anwesen und Gärten. In diesem Rahmen unterstützen wir die Gestaltung des Rosengartens von Dumfries House. Als ich ihn im Winter zum ersten Mal sah – ohne Rosen –, war der Ort bereits magisch. Schottland verkörpert Authentizität und eine unverfälschte Nähe zur Natur. Beim fertigen Aufbau zeigte sich dann die perfekte Parallele zwischen Garten und Inszenierung: Hier blüht ein echter, lebendiger Garten, in dem täglich viele Menschen arbeiten, und genau hier fanden unsere Schmuckstücke ihre Bühne.
Haben englische Gärten für Sie eine grössere Nähe zum Geist der Maison als französische?
Nein, nicht unbedingt. Wir unterstützen auch Gärten in anderen Teilen der Welt – etwa in Venedig oder in Los Angeles. Es ist weniger eine Frage der Nationalität, sondern vielmehr eine des Augenblicks, der Begegnungen und der gemeinsamen Vision.
Van Cleef & Arpels’ florale Designs sind weltberühmt. Wie kommen Sie immer wieder auf neuen Ideen für noch charmantere Blumenkreationen?
Seit dem ersten Tag dient uns die Natur als Inspiration. Der erste Blumenclip stammt aus dem Jahr 1907 – ein kleines Gänseblümchen, gleich nach der Gründung der Maison. Seither begleiten uns Blumen und Tierwelt auf ganz unterschiedliche Weise. In diesem Jahr greifen wir auf Stücke aus den späten 1930er-Jahren zurück: «Flowerlace» interpretiert eine goldene Spange von 1937/38 neu, deren Silhouette an ein Band erinnert und zugleich eine Blume skizziert. «Fleurs d’Hawaï» wiederum basiert auf einem historischen Collier mit Tubogaskette, dessen bunte Blütenblätter aus Edelsteinen gefertigt waren. Das Original war wandelbar – man konnte es als Halskette, Gürtel oder Armband tragen.
Beide Kollektionen zelebrieren Blüten – und wirken doch völlig unterschiedlich.
Genau das ist das Spannende: «Flowerlace» zeigt eine abstrakte grafische Interpretation aus Gold und Goldbändern, während «Fleurs d’Hawaï» eine sehr naturalistische Sprache spricht, mit Blütenblättern aus Edelsteinen und einem detailgetreu gearbeiteten Blatt. Beide vereint unser Savoir-faire in der Haute Joaillerie, unsere charakteristische Steinauswahl, die Grosszügigkeit der Volumina, die akribische Handwerkskunst und die gekonnte Politur auch auf der Rückseite der Stücke– und nicht zuletzt die Wandelbarkeit.
Sehen Sie es auch als Ihre Mission, in diesen unruhigen Zeiten ein wenig romantische Positivität zu verbreiten?
Ja, unbedingt. Diese Haltung begleitet uns schon seit vielen Jahrzehnten. Van Cleef & Arpels betrachtet die Natur durch eine positive, lebensbejahende Linse: blühend, farbenfroh, grosszügig, immer in Bewegung. Es geht nicht um die Kraft der Natur, sondern um ihre Subtilität, um Emotion und Sinn für Details. Für uns ist es selbstverständlich, die blühende Natur in unsere Kreationen einfliessen zu lassen und damit Glück und Poesie in ihnen aufleben zu lassen.
Sie haben vorhin das Thema Haute Joaillerie angesprochen. Wie genau fliesst dieses Savoir-faire in die beiden Kollektionen ein?
Das ist tatsächlich ein wesentlicher Punkt – angefangen bei der Steinauswahl, die mit demselben geschulten Auge erfolgt wie in der Haute Joaillerie. Die Ateliers arbeiten denn auch eng mit den Werkstätten für unsere Haute Joaillerie zusammen.
Können Sie uns ein konkretes Beispiel dafür geben?
Gerade bei «Fleurs d’Hawaï» ist die Auswahl und das Paaren der Steine eine grosse Herausforderung. Man benötigt die Expertise, um die richtigen Qualitäten und Mengen in genau den Farben zu beschaffen, die sich unsere Designer vorgestellt haben. Zudem müssen die Blütenblätter als Tropfenform umgesetzt werden, um der Blume Leichtigkeit und Offenheit zu verleihen. Hier zeigt sich das Know-how der Maison: vom Sourcing bis hin zur präzisen Fasskunst. Auf der Rückseite erkennt man die offene Konstruktion der Fassung, die das Licht durchscheinen lässt, gleichzeitig aber die Steine schützt – und dennoch so leicht bleibt, dass das Design der Blütenblätter nicht gestört wird.
Und wie ist es bei der Kollektion «Flowerlace»?
Bei «Flowerlace» spielt die Arbeit mit Goldfäden, Formen und Volumen die Hauptrolle. Besonders schön sieht man das am Ring oder am Clip: Das Design ist asymmetrisch, ohne sich wiederholende Motive. Drei Ebenen überlagern sich, jede mit eigener Rundung und Bewegung. Diese Raffinesse ist nur durch das Wissen und die Handwerkskunst unserer Artisans möglich.
Bei aller Kunstfertigkeit – welche Rolle spielt das Tragegefühl?
Das ist ein weiterer Aspekt, der vielleicht auf den ersten Blick weniger auffällt. Trotz der Grösse und dem Gewicht muss etwa eine Brosche perfekt sitzen, ohne zu kippen oder sich zu verdrehen – sie liegt flach am Körper, bei jedem Volumen. Das Gleiche gilt für den Ring: Er besitzt Präsenz, fühlt sich aber überraschend angenehm und leicht zu tragen an. Selbst die Ohrringe sind so gearbeitet, dass sie nicht zu schwer sind und problemlos den ganzen Tag getragen werden können. Unser Ziel ist es immer, Schmuck zu kreieren, der nicht nur kostbar, sondern auch tragbar ist – Schmuck, der sich im Alltag genauso bewährt wie an besonderen Anlässen.
Wir haben über die Natur gesprochen, aber welche Art von Weiblichkeit möchten Sie mit dieser Kollektion ausdrücken?
Ich empfinde die beiden Kollektionen als sehr vielseitig. Ich könnte mir gut vorstellen, dass eine junge Absolventin in ihren Zwanzigern ein Stück als Anhänger trägt. Die Farben wirken frisch und spontan, die Grössen sind perfekt für den Alltag, also durchaus auch für ein jüngeres Publikum. Gleichzeitig haben die Clips aus Gold vielleicht eine reifere Ausstrahlung, während die Between-the-Finger-Ringe durch ihre Modernität ein sehr spannendes Design verkörpern. Die Uhr hingegen richtet sich an ein spezielles Publikum: Eine Secret Watch ist nichts, was man täglich trägt – sie lässt sich zwar auch zum Anhänger umwandeln, bleibt aber ein sehr besonderes Schmuckstück.
Sie erwähnen junge Frauen – aber die Preisniveaus sprechen eher dagegen. Gibt es Überlegungen, die Kollektionen kommerziell anders auszurichten?
Nein, so denken wir nicht. Bei uns entsteht keine Kollektion mit der Frage im Hinterkopf, wer sie kaufen wird, welchen Preis sie haben sollte oder welche Zielgruppe wir erreichen möchten. Unser Designprozess funktioniert anders. Alles beginnt mit der Inspiration. In diesem Fall wollten wir die Blume feiern – also sind wir ins Archiv zurückgegangen. «Fleurs d’Hawaï» bot sich ganz natürlich an, schliesslich hatten wir bereits im Jahr 2000 eine Kollektion zu diesem Thema, die wiederum auf Entwürfen aus den 1930er-Jahren basierte. Jetzt, zwanzig Jahre später, wollten wir sie neu interpretieren. «Flowerlace» hingegen ist ein Design, das sich an den sogenannten Silhouette-Clips der späten Art-déco-Jahre inspiriert. Der Ausgangspunkt ist also immer das Design und die Tragbarkeit, erst in zweiter Linie ein gewisser Preisrahmen.
Verraten Sie uns zum Schluss noch Ihren Lieblingsstein?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten – es ändert sich bei mir ständig, je nachdem, was man trägt. Im Moment würde ich wohl den Aquamarin wählen. Dieses leichte Blau … vielleicht ist es die Sehnsucht nach dem Meer.